Budapest: Essen wie gemalt

Nach kulinarischer Entwöhnung auf dem Land ist hier das Essen wieder wundervoll: Farbenfroh, lebensfreudig, naturnah und künstlerisch steht es vor uns.

So trifft im TöLTő Haute Cuisine auf Fastfood, denn dort gibt es die – man glaubt es kaum – edle Version des Brühwürstchensnacks und zwar in Form von hausgemachten (Wildschein-, Schweinefleisch-, Rindfleisch-, Hühnchen-)Würsten mit ordentlich Biss und echter Würze. Wie gemalt kuschelt sich dann die gegrillte Wurst in das hausgemachte Brötchen, mal garniert mit Wakame-Salat, Ruccola, getrockneten Tomaten, Spirulina-Schwämmchen oder Kumquats. 

Wildschweinwurst mit Spirulina-Schwämmchen

Im Dobrumba explodieren die kräftigen Farben und Geschmäcker der Aufstriche in meinem Mund und die hausgemachte, würzig-scharfe Ingwer-Kurkuma-Limonade wartet mit gemahlenem Pfeffer und jeder Menge Zitrusfrüchten auf Menschen, die es, statt geschmacklich tonloses Zuckerwasser zu schlürfen, wirklich ernst meinen. 

Eismanufakturen wie Espressoul färben ihr Vanille-Himbeer-Eis mit Kohle und versetzen zartschmelzende Milchschokolade in zittrige Aufregung durch Ingwerzugabe.

Fruchtige Kohle und aufgeregte Schokolade im Espressoul

Im Café Fröhlich, der Fröhlich Kóser Cukrászda schmelzt der Apfelpieboden förmlich auf der Zunge, während die geriebenen Äpfel noch ein wenig am Gaumen tanzen. 

In der Pékműhely-Bäckerei finde ich Zimt-, Mohn-, und Schokoschnecken und eine Gorgonzola-Teigtasche, die so gut waren, dass mir beim Versuch, sie zu beschreiben, das Wasser im Munde zusammenläuft, was ich aussagekräftig genug finde und mir daher die weiteren Worte spare.

Fast zu schön, um gegessen zu werden, präsentierten sich uns die Speisen des Café Szimply, hinter dessen gewöhnlicher Speisekarte sich ein überquellender Ideen- und Geschmacksreichtum verbirgt. Der Name und vor allem die begrenzte (aber monatlich wechselnde!) Auswahl der Gerichte lassen bereits vermuten, dass sich hier jemand Zeit nimmt für das Wesentliche.
Nach einem Gruß aus der Küche – kühler, samtfluffiger Himbeerschaum mit essbarer Blüte und Birnenkugel – kommt erst unsere eigentliche Bestellung: Pancake und Bruscetta. Mit so viel Liebe hat hier jemand die Zutaten auf den Teller getupft, gestrichen, gestreut, gebettet, gebogen, geformt, gelegt. Wie vor einem Gemälde sitzen wir da, ehrfürchtig und stumm, fast überfordert mit der Tatsache, dass wir gekommen sind, um uns diese Schönheit einzuverleiben. Aber die Überwindung war es wert: Mit so viel Freude müssen die Zutaten aus dem Boden gesprossen sein, so intensiv wie sie schmeckten.

Das alles hat natürlich seinen Preis, zwar etwas niedriger als Vergleichbares in Deutschland – doch der bekommt auch erst durch den Blick auf Ungarns durchschnittliches Monatseinkommen seine bittere Kontur.